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Inflation: Staatsfeind Nr. 1 oder Liebling der Schuldenpolitik?

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Perspektiven 2022

Publiziert am 25.04.2022 MESZ

Bis vor kurzem war sie ein (fast) vergessenes Gespenst aus der Vergangen­heit. Heute jagt eine Inflations­schlagzeile die nächste – nicht nur in Wirtschafts­zeitungen. In diesem Grundlagen­artikel nehmen drei Ökonomen dem Gespenst seinen Schrecken.

Erfahren Sie, was Inflation überhaupt ist, wie sie entsteht und welches die häufigsten Arten der Inflation sind.

 

 

Inflation als Spielball der Politik

Der russische Revolutionär Wladimir Lenin hielt sie für ein gutes Mittel zur «Zer­schlagung der Bourgeoisie». Gerald Ford, der 38. Präsident der Vereinigten Staaten, erklärte sie zum «Staatsfeind Nummer eins». Nach ihm beschrieb sie Ronald Reagan als «gewalttätig wie ein Strassen­räuber, furcht­erregend wie ein bewaffneter Räuber und tödlich wie ein Auftrags­mörder».

Um die Inflation begreifbar zu machen, behelfen sich sogar gestandene Staatsmänner mit Metaphern, wie sie für bewaffnete Konflikte verwendet werden. Woher kommt diese reflexartige Inflationsangst, die vielen in den Knochen steckt?

Wenn die gute alte Ökonomie die Aufmerksamkeit von Wirtschaft und Politik, von links bis rechts und rund um den Globus auf sich zieht, dann lohnt es sich, das Schreck­gespenst mit nüchternen Fakten zu durchleuchten.




KURZ ERKLÄRT

Definition: Was ist Inflation?

Der Begriff «Inflation» beschreibt einen allge­meinen Anstieg der Preise für Waren und Dienst­leis­tungen in einer Volks­wirt­schaft. Dieser «allgemeine Anstieg» für eine Vielzahl von Waren und Dienst­leistungen ist wichtig – Inflation entsteht nicht dadurch, dass ein einzelner Gegen­stand teurer wird, sondern nur dann, wenn es zu einem Preis­an­stieg auf breiter Basis kommt. Im Laufe der Zeit schmälert dieser Preis­an­stieg die Kauf­kraft einer bestimmten Währung in einer Volks­wirtschaft.

 

Importierte Inflation

Inflation kann nicht nur Aus­wirkungen auf die heimische Währung eines Landes haben. Sie be­ein­flusst unter Um­ständen auch den Wechsel­kurs des Landes gegenüber anderen Ländern und hat damit Folgen für den Handel mit Waren und Dienst­leis­tungen. Denn je mehr die Währung eines Landes auf dem Devisen­markt an Wert verliert, desto höher ist der Preis, den das Land für Importe zahlen muss. Das wirkt sich im Fall von Roh­stoffen oder Energie auch auf die inländischen Produk­tions­kosten eines Landes aus.

Wie kommt es zu einer Inflation?

Dass die Preise 2021 anziehen würden, kam für die meisten Analysten wenig überraschend. Aufgrund sogenannter Basis­effekte, Angebots-Nachfrage-Eng­pässen und des starken wirtschaftlichen Auf­schwungs nach den Lockdowns war es nur eine Frage der Zeit, bis sich ein gewisses Mass an Inflation bemerkbar machen würde.

Die Ursachen für eine Inflation führen wir auf den Zeit­horizont ihres Einflusses zurück. In unseren Analysen unterscheiden wir daher kurz-, mittel- und lang­fristige Faktoren.

Drei Faktoren, die Preise in die Höhe treiben können

Aktuell: Inflation Schweiz im Kontext (1870–2022)


Die im April veröffentlichten Inflations­zahlen für März 2022 liegen in den USA mit 8.54% deutlich über den für die Schweiz gemeldeten 2.4%. Das war aber nicht immer so, wie ein Blick auf die letzten 150 Jahre zeigt. Als Basis der nach­folgenden Grafik dient der so­genannte Konsumenten­preisindex (Consumer Price Index, CPI). Die Zahlen für die Schweiz vor 1922 beruhen auf Schätzwerten von Forschenden.

 

Vor dem zweiten Weltkrieg waren die Inflationsschocks höher als in den USA

Inflation USA 2022 compared to inflation Switzerland 2022: historical inflation rates back to 1870 (animated)

Inflation in den USA 2022 und zurück bis 1870 (CPI in %)
Inflation in der Schweiz 2022 und zurück bis 1870 (CPI in %)

© Vontobel 2022, basierend auf Forschungs­ergeb­nissen von Niko Hauzen­berger, Daniel Kaufmann, Rebecca Stuart, Cédric Tille: «Interest rates in Switzerland 1852–2020», Fundamentals for Economic Policy No. 24, Staats­sekretariat für Wirtschaft SECO, Bern, Switzerland (2021), sowie Daten des Bundes­amts für Statistik (BFS), Global Financial Data, Refinitiv Datastream.

Häufigste Inflations­arten

Welche Arten der Inflation unterscheidet die Ökonomie?

  • Am häufigsten ist in Lehrbüchern von «Demand-pull»- und «Cost-push»-Inflation zu lesen.
  • Daneben existieren auch extremere Formen wie die Stagflation.

 

Demand-pull-Inflation

Sie tritt auf, wenn in einer Volkswirtschaft die Nachfrage das Angebot übersteigt und dadurch die Preise in die Höhe treibt. Doch wie kann die Nachfrage das Angebot übersteigen?

 

Cost-push-Inflation

Dieser Typ Inflation entsteht, wenn die Nachfrage gleichbleibt, während das Angebot an Waren oder Dienst­leistungen begrenzt ist.

Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein erheblicher Mangel an Roh­stoffen oder Arbeits­kräften entsteht, der die Preise oder Löhne in die Höhe treibt.

 


Stagflation

Wenn alles Schlechte zusammenkommt

Bei der Stagflation treffen vier Faktoren aufeinander: steigende Preise, stagnierendes Wirtschaftswachstum, enttäuschende Unternehmensgewinne und hohe Arbeitslosigkeit.

Während sich Ökonomen über die Ursachen der Stagflation uneins sind, werden Argumente wie eine schlechte Wirtschaftspolitik und Angebotsschocks am häufigsten angeführt.

 

Gewinner und Verlierer in einem inflationären Umfeld

Wer hat am meisten unter steigenden Preisen zu leiden?

Zuerst einmal Sparer, da höhere Preise den realen Wert ihrer Ersparnisse verringern.

Betroffen sind auch Arbeitnehmende, die an feste Lohn­verträge gebunden sind, oder Kreditgeber wie Banken, die feste Zins­zahlungen für ihr Geld vereinbart haben. Nicht zu vergessen Importeure, deren gehandelte Waren in der Regel teurer werden, wenn die Landes­währung mit einer höheren (inländischen) Inflationsrate gegenüber Währungen mit geringerer Inflation an Wert verliert.

 

Andere profitieren von höheren Preisen

In der Regel sin dies alle, die Schulden mit einer nominell festen Zins­zahlung haben, wie verschuldete Regierungen, Unternehmen und Haushalte.

Unternehmen mit einer hohen Schuldenlast profitieren in der Regel ebenfalls. Denn ein inflationäres Umfeld ermöglicht es ihnen oft, die höheren Preise an die Verbraucher weiterzugeben. Das «zusätzliche Geld», das dabei entsteht, kann dann zur Tilgung ausstehender Schulden verwendet werden.

Zudem können auch Privatpersonen, die in so genannte Inflationsabsicherungen (Sachwerte wie Immobilien, Rohstoffe oder Gold) investiert haben, profitieren, wenn der Wert ihrer Anlagen steigt.

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Über den Autor

Stefan Eppenberger

Stefan Eppenberger

Head Multi-Asset Strategy

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