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Insights

Wasser sparen in der Wasserkrise: Mit Wissenschaft gegen den Klimawandel

Verhaltensbasiertes Finanzieren
Schwellenländer
Nachhaltige Wertschöpfung
Insights

Publiziert am 07.05.2021 MESZ

Eine Wasserkrise in Kapstadt hat gezeigt, wie sich Umwelt­probleme lösen lassen: Indem wir einfache Gewohnheiten ändern. Eine Reportage zum Thema Wasser sparen, die unter Wissen­schaftlern auch als Lektion für den Umgang mit dem Klima­wandel gehandelt wird.

Von
Alex Lee,

britischer Wissenschaftsjournalist und ständiger freier Mitarbeiter von Wired UK. Seine Reportage veröffentlichen wir hier als Teil unserer Publishing Partnership mit Wired UK.

 

  

Wie alles begann

Im Jahr 2017 stand Kapstadt kurz davor auszutrocknen. Die Stadt sah sich mit der schlimmsten Dürre seit Beginn der Aufzeichnungen konfrontiert und konnte das Schlimmste nur dank einer Reihe von intelligenten Verhaltensmassnahmen abwenden.

Obwohl die Stadtverwaltung eine Reihe von Anordnungen erliess, um die 4.7 Millionen Einwohner dazu zu bringen, ihren Wasserverbrauch zu reduzieren, ignorierten mehr als 60 Prozent der Kapstädter den Aufruf zum Handeln. Die Stadt führte daraufhin Beschränkungen für die Wassermenge ein, die jeder Einwohner pro Tag verbrauchen durfte. Sie drosselte den Wasserdruck, erhöhte die Tarife und Bussgelder und installierte Wasserbegrenzungsgeräte bei Haushalten, die sich nicht daran hielten.

Trotz alledem waren die Verbrauchsraten immer noch hoch.

Gewohnheiten ändern sich nur langsam

Das alles änderte sich schliesslich im Jahr 2018, als sich die Wasserhähne in der Stadt trocken zu bleiben drohten. Im Januar startete die Regierung eine stadtweite Wassersparkampagne, die verhaltenswissenschaftlich untermauert wurde. Mit Erfolg.

Seitdem haben Wissenschaftler die während der Wasserkrise gesammelten Daten durchforstet, um herauszufinden, warum genau sie so erfolgreich war. Denn der Umgang mit der Wasserkrise in Kapstadt ähnelt in gewisser Weise dem Umgang mit dem Klimawandel.

Ein besseres Verständnis darüber, wie die Wasserkrise gelöst wurde, könnte wichtige Hinweise darauf liefern, wie wir der viel grösseren, weltweiten Krise begegnen können: dem Klimawandel.

 

«Weil sich die Dürre nur langsam näherte und sich an uns heranschlich, waren viele Menschen nicht wirklich ausreichend besorgt», sagt Thinus Booysen, ein Ingenieur­professor an der Universität Stellenbosch in Südafrika.

Ein solches Verhalten bezeichnen Psychologen als «present bias». Es führt dazu, dass Menschen gegen­wärtige Bedürfnisse gegenüber zukünftigen priorisieren. Booysen beobachtete in einer retrospektiven Arbeit, die 2019 veröffentlicht wurde, dass die Bewohner immer noch mehr Wasser verbrauchten als empfohlen. Und das, obwohl die Regierung den Wasser­verbrauch zunächst auf 100 und dann auf 82 Liter beschränkte. Obwohl die Stadt­verwaltung beträchtliche Strafen und erhöhte Tarife einsetzte, hatten diese keinen grossen Einfluss auf die Verbrauchs­gewohnheiten der wohl­habenderen Kapstädter. «Leute, die es sich leisten konnten, verbrauchten einfach weiter Wasser», sagt Booysen.

«Day Zero» war wie ein Weckruf

Dann, im Januar 2018, forderte die Stadtverwaltung die Bewohner auf, ihren Wasserverbrauch auf 50 Liter pro Tag zu reduzieren. Sie drohte an, dass die Wasserhähne am 21. April abgestellt würden, wenn die Kapstädter nicht handeln würden, um die Wasserkrise abzuwenden. Ein ominöses Datum, das seither als «Day Zero» bekannt ist.

Es war ein Weckruf für alle Bewohner Kapstadts. Noch im selben Monat führte die Regierung in Zusammenarbeit mit der Environmental Policy Research Unit (EPRU) der Universität Kapstadt eine Reihe von Massnahmen ein, die die Menschen auf subtile Weise dazu bringen sollten, ihr Verhalten zu ändern.

  • Mehr zur EPRU der Universität Kapstadt

    Die EPRU hatte bereits vor der Dürre untersucht, wie sie die Menschen dazu bringen kann, mehr Wasser zu sparen. Zwischen 2015 und 2016 hatte sie eine umfangreiche Studie mit 400.000 Haushalten in Kapstadt durchgeführt, um herauszufinden, wie man die Menschen am besten dazu bringen kann, ihren Wasserverbrauch zu reduzieren. Während der Studie implementierten die Forscher pro-soziale Massnahmen, wie den Vergleich des Wasser­verbrauchs eines Haushalts mit dem seiner Nachbarn, und finanzielle Anreize, die die Menschen darüber informierten, wie viel Geld sie je nach ihrem Wasser­verbrauch sparen – oder verlieren – würden.

 

 

Soziale Anerkennung als Schlüssel-Anreiz

Eine der wichtigsten Massnahmen war die Veröffentlichung der Namen und Adressen der besten Wassersparer auf der Website der Stadt. Diejenigen, die mit dieser Botschaft angesprochen wurden – eine Mischung verschiedener demografischer Gruppen – reduzierten ihren Wasserverbrauch um 1.9 Prozent.

«Wir fanden heraus, dass die einkommens­starken Gruppen besser auf die umwelt­freundlichen, pro-sozialen und gemein­wohl­orientierten Massnahmen reagierten – insbesondere auf die Mass­nahmen zur sozialen An­erkennung – und nicht so sehr auf finanzielle Anreize.»


Zu diesem Schluss kam Martine Visser, eine Verhaltens­öko­nomin an der Universität Kapstadt, die die Entwicklung hinter der Day-Zero-Kampagne beobachtete. «Für Haushalte mit mittlerem und niedrigem Einkommen haben wir gesehen, dass Preis- und Finanz-Vorteile eine grössere Rolle spielen.»

Zu Beginn der Day-Zero-Kampagne führte die Regierung eine Online-Wasser­karte ein, die von Visser und ihrem Team entwickelt wurde. Auf der Karte wurden Haus­halte, die ihre Wasserspar­ziele erreichten, öffentlich gewürdigt. Wenn ein Haushalt sein Ziel erreichte, wurde er mit einem grünen Symbol auf seinem Grund­stück belohnt.

Angst motiviert

Es wurden auch Botschaften eingesetzt, um den Bewohnern zu helfen, die Wasser­ziele in verständlicheren Mass­einheiten zu formulieren. Die Stadt veröffent­lichte Info­grafiken darüber, wie viel Wasser eine Toiletten­spülung ver­braucht oder wie viele Liter Wasser eine zwei­minütige Dusche benötigt. Visser ist überzeugt:

Die Notwendigkeit, Informationen verständlicher zu machen, ist eine Lektion, die sich auf den Klimawandel im Allgemeinen übertragen lässt.


Die Botschaften müssen so ver­mittelt werden, dass sie jeder ver­stehen kann. «Wir mussten es sehr drastisch verdeutli­chen, damit die Regierung wirklich verstand, in welchem Ausmass die Kommunikation verbessert werden muss, damit die Menschen auf die Krise reagieren», sagt sie.

Booysen leitete auch die Installation von intelligenten Wasser­zählern in 345 Schulen im Westkap, die das Wasser Sparen zu einem Wettbe­werb zwischen den Schulen machten. Einige Schulen erhielten sogar wöchent­liche Zeugnisse mit ihrem Wasser­verbrauch, illustriert durch die Anzahl an Cola­flaschen oder Schwimm­becken, die verbraucht wurden. Insgesamt führten die Massnahmen zu einer 15- bis 26-prozentigen Reduzierung des Wasser­verbrauchs.

Booysen gibt zu, dass die stärkste Intervention der «Angst­faktor» war. 2018 drohte die Stadt an, dass die Wasserhähne am 21. April abgestellt würden. Jede und jeder würde gezwungen sein, an einer von 200 bewachten Sammel­stellen Schlange zu stehen, um eine tägliche Wasser­ration von 25 Litern zu erhalten.

«Das war der Moment, in dem der Groschen fiel», sagt er. «Unsere Analyse der Daten von intelligenten Wasser­zählern hat gezeigt, dass dies genau der Zeit­punkt war, an dem der Verbrauch deutlich zurückging.»

Obwohl der Day Zero schliesslich auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, weil die Stadt an einem Strang zog, um Wasser zu sparen, werden katastrophale Dürreperioden wie in Kapstadt in einer sich erwärmenden Welt immer häufiger auftreten. Laut einer Studie der Stanford University hat der vom Menschen verursachte Klima­wandel die Dürre von Day Zero fünf- bis sechsmal wahrscheinlicher gemacht.

Am besten funktionieren Anreize plus Vorschriften

Wie erfolgreich es ist, die Menschen zu kleinen, aber bedeutenden Verände­rungen zu bewegen, hat man in einer Reihe von Gemeinden auf der ganzen Welt gesehen. In der indischen Stadt Mumbai begannen Restaurants, halbe Wasser­gläser zu servieren, nachdem sie festgestellt hatten, dass die Gäste nur ein paar Schlucke nahmen und den Rest stehen­liessen. In Kalifornien ist es Restaurants nicht erlaubt, Wasser zu servieren, wenn die Gäste nicht ausdrücklich darum bitten.

Die Erfolgsgeschichte von Kapstadt zeigt aber auch, dass ein Wandel auf vielen Ebenen stattfinden muss. Während die Bürger versuchten, ihren Wasser­verbrauch zu reduzieren, war die Stadt­verwaltung gleichzeitig damit beschäftigt, neue Wasser­quellen zu erschliessen, den Wasser­druck in der Stadt zu senken und Informationen über die Bedeutung des Wasser Sparens über Fernsehen und Radio zu verbreiten. «Anreize können sehr erfolgreich und ergänzend eingesetzt werden», sagt Visser. «Aber sie funktionieren am besten, wenn sie mit Vorschriften gepaart werden.»

 

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Mit Toby Park, Berater bei der Beratungsfirma «Behavioural Insights Team»


Die oben genannten Punkte sind allesamt Beispiele für das, was Verhaltenspsychologen als «Voreinstellung» bezeichnen. Ein Mechanismus, der den Menschen die Qual Wahl abnimmt. Und eine echte Zeitersparnis, wenn man bedenkt, dass wir jeden Tag 35,000 Entscheidungen treffen.

Toby Park, Hauptberater für Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit bei der britischen Beratungsfirma «Behavioural Insights Team», sagt, dass Anreize am besten funktionieren, wenn sie Reibungsverluste reduzieren und die Dinge für die Menschen so einfach wie möglich machen. «Oft treffen wir keine aktive Wahl, sondern bleiben bei der Standardoption. Das kann wirklich tiefgreifende Auswirkungen haben: auf den Energietarif, den wir nutzen, ob wir unsere Flüge kompensieren, die Lebensmittel, die wir essen und so weiter», erklärt er.

Park verweist auf eine andere Studie, in der die Verschwendung von Lebensmitteln in Schulkantinen reduziert wurde, als die Plastiktablette, auf denen das Essen transportiert wurde, entfernt wurden und die Leute gezwungen wurden, ihre Teller zu tragen. «Es geht wirklich darum, eine Welt zu schaffen, in der die nachhaltigen Entscheidungen die einfachen Entscheidungen sind, die beliebten, leicht verfügbaren Entscheidungen, die Standardentscheidungen», sagt Park.

Pro-soziale Anreize wie Wasserverbrauchskarten und Vergleiche von Stromrechnungen haben sich in anderen Zusammenhängen als wirksam erwiesen. Als Energiekunden, die in den USA in Häusern mit geringem Wärmewert leben, monatliche Info-Briefe erhielten, wie viel Energie ihre Nachbarn verbrauchten, geschah etwas Überraschendes: Daraufhin reduzierten diejenigen, die zu viel verbrauchten, ihren Verbrauch um bis zu zwei Prozent.

  

  

Ebenfalls spannend im Kontext von «Behavioral Economics»

  

  

 

  

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