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Weniger CO2 aus der Cloud: Warum Datencenter ins Meer gehören

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Publiziert am 18.11.2020 MEZ

Server-Chips unter Wasser: Der Blick von oben auf bläulich schimmernde Leiterbahnen in der Tiefe des Datenmeers

Neuste Ideen zur CO2-Reduktion lassen das «Datenmeer» buchstäblich wahr werden

 

Im Unterwasser-Datencenter «Northern Isles» dümpelten 864 Server und 27,6 Millionen Gigabyte Daten zwei Jahre lang im eisigen Wasser der Nordsse. Im September wurde der High-Tech-Stahlzylinder gehoben.

  

Von
Alex Christian,

britischer Journalist, der in zahlreichen internationalen Zeitschriften vorwiegend über die Auswirkungen des Klimawandels schreibt. Er ist ständiger freier Mitarbeiter von Wired UK.

Seine Reportage veröffentlichen wir hier als Teil unserer Publishing Partnership mit Wired UK.

  

Die vollständige Analyse der Studie ist noch nicht abgeschlossen, aber schon jetzt gilt «Northern Isles» als grosser Erfolg. 2014 hatten Forscher von Microsoft die Idee, Server und Datenspeicher im Meer zu versenken, um so deren Kühlung zu optimieren. Das Projekt «Natick» war geboren. Im Frühling 2018 platzierten sie dann ein ganzes Datencenter im eisigen Wasser der Nordsee, dicht verpackt in einem mit trockenem Stickstoff gefüllten Stahlzylinder.

«Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass ein Unterwasser-Datencenter nur ein Achtel so fehleranfällig ist wie eines an Land.»

Ummantelt von Algen und Seeanemonen fischte Ben Cutler, Direktor des Projekts, den Stahlzylinder zwei Jahre später wieder aus der Nordsee. «Insgesamt haben wir festgestellt, dass Unterwasser-Datencenter sowohl machbar als auch logistisch, ökologisch und wirtschaftlich praktikabel sind.»

Die Vorstellung, einen Schiffscontainer voller Elektronik in den Ozean zu werfen, klingt zunächst wie ein Alptraum. Aber es gibt einen guten Grund dafür, dass Server unter Wasser achtmal zuverlässiger arbeiten können als ein Rechenzentrum an Land. Auf dem Meeresboden platziert, geschützt vor Sauerstoff, Feuchtigkeit und Erschütterungen, können Datencenter dort optimale Leistungen erzielen. «Computer funktionieren nicht wirklich gut in der gleichen Umgebung, in der auch Menschen leben», erklärt Cutler.

  

Warum dieses Projekt wichtig ist

  

  • Meerwasserkühlung statt Klimaanlage

    Für Fotos, E-Mails und Dokumente nutzen wir jeden Tag die Cloud-Dienste diverser Anbieter – erst recht seit das Arbeiten im Homeoffice zur Routinewurde. Diese Datenwolke mag nebulös und unsichtbar erscheinen, aber jeder Klick und Tastendruck erzeugt Daten, die auf realen Servern gespeichert werden, die irgendwo auf der Welt rund um die Uhr Strom und Kühlung benötigen. Der Cloud-Experte Paul Johnston schätzt:

    Fast zwei Prozent des weltweiten CO2-Fussabdrucks stammen von Datencentern.

    Es handelt sich um eine Branche, die Jahr für Jahr wächst: Weltweit sind etwa 18 Millionen Server in Rechenzentren im Einsatz; die weltweiten Ausgaben für Hardware und Software beliefen sich im Jahr 2019 auf mehr als 138 Milliarden Euro.

    Deshalb steckt hinter dem Experiment mehr als nur die Herstellung zuverlässiger Hardware. Unterwasser-Datencenter könnten tatsächlich gut für unser Klima sein. «Fast 20 Prozent der Energie, die von einem Datencenter an Land verbraucht wird, benötigt dessen Klimaanlage und Wasserkühlung», sagt Johnston, der auch als Klima- und Technologieberater tätig ist. «Was Microsoft hier getan hat, ist bahnbrechend, da das Meerwasser als Kühlmittel dient und keine gekühlte Luft zugeführt werden muss. Davon könnte die Umwelt gewaltig profitieren.»

    Das Projekt «Natick» wurde 2014 ins Leben gerufen und man erforschte dabei die Idee, Computer unter Wasser mit erneuerbarer Energie aus dem Meer zu betreiben. Im folgenden Jahr wurde ein Datencenter vor der kalifornischen Küste für mehrere Monate versenkt. Die schottischen Orkney-Inseln wurden für den jüngsten Versuch ausgewählt, da deren Energiebedarf vollständig aus Wind- und Sonnenenergie stammt. «Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir wesentlich weniger Infrastruktur benötigen, um den benötigten Strom zuzuführen», sagt Cutler. «Selbst bei leichtem Wind wäre genug Energie vorhanden.»

  • Zuverlässig, skalierbar – und ein Business-Modell für Offshore-Windkraft

    Die Unterwasser-Datencenter stehen in direkter Konkurrenz zu Mega-Servern an Land, die hauptsächlich mit Strom aus fossilen Brennstoffen betrieben werden. Das Experiment «Northern Isles» könnte ein Wegbereiter für die Zukunft sein. Durch die Platzierung von Unterwasser-Datencentern in der Nähe von Windkraftanlagen hätten die Energieversorger einen verlässlichen Kunden; die Datencenter würden effizient und zuverlässig mit Strom versorgt. Johnston glaubt, dass zum Beispiel die bereits florierende Offshore-Windindustrie Grossbritanniens so weiter angekurbelt werden könnte. Kleinere Unterwasser-Datencenter könnten dann blitzschnelle Verbindungen zu abgelegenen Küstenstädten herstellen, die derzeit auf zentralisierte Datencenter angewiesen sind, die mitunter Hunderte von Kilometern entfernt liegen.

    Wie skalierbar sind solche Ideen?

    Cutler ist zuversichtlich, dass das Unterwassermodel kosteneffektiv skaliert werden kann – der nächste Schritt für das Projekt «Natick». «Die Container sind kleiner als landgestützte Datencenter. Um das Modell zu skalieren, könnte man mehrere Datencenter in einem einzigen Verbund wie Bausteine zusammenfügen.» Ausserdem führt er an, dass ein submarines Datencenter in weniger als 90 Tagen in Betrieb gehen kann, wesentlich schneller als eines an Land. Aber was geschieht, wenn ein Datencenter, das 50 Meter tief im Atlantik liegt, repariert werden muss? Laut Cutler ist das Modell weitgehend autark: Server, die vorzeitig ausfallen, würden einfach abgeschaltet, während ein terrestrisches Rechenzentrum im Schnitt alle fünf Jahre erneuert werden muss. «Es ist auf eine so hohe Zuverlässigkeit ausgelegt, dass wir mehrere Jahre lang ohne Wartung arbeiten können», fügt er hinzu.

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  • Ökologische Implikationen: Fische lieben Unterwasser-Server

    Datencenter unter Wasser scheinen zuverlässiger und energieeffizienter zu sein. Aber eine Küstenregion voll mit diesen elektronischen Containern? Schadet das nicht der Flora und Fauna der Meere?

    Andrew Want, Meeresökologe von den Orkney-Inseln, sieht keine negativen Auswirkungen. «Jedes Mal, wenn man etwas ins Meer wirft, entsteht ein Prozess, der Biofouling genannt wird. Innerhalb weniger Tage bildet sich ein Belag aus mikroskopisch kleinen Bakterien, an dem sich Organismen festsetzen.»

    «Das kann wie ein künstliches Riff wirken, um das sich dann Fische versammeln, was wiederum die biologische Vielfalt fördern kann.»

    Es besteht sogar die Möglichkeit, dass Unterwasser-Datencenter zu Schutzgebieten werden – ähnlich wie Offshore-Windparks zu Fischereiverboten geführt haben. «Fische sammeln sich gerne um feste Strukturen, um Ecken und Winkel herum», sagt Want. «Da ein Datencenter in unmittelbarer Nähe des Meeresbodens liegt, könnte es den Jungfischen Schutz bieten und dem Nachwuchs als Lebensraum dienen. Und obwohl ein Datencenter etwas Wärme abgeben würde, ist es unwahrscheinlich, dass die ausreichen würde, um die umliegenden Gewässer zu erwärmen. Es ist ein ähnliches Phänomen, wie man es bei Unterwasser-Stromkabeln sieht. Die Erwärmung ist vernachlässigbar gering.»

    Alle Daten auf Tauchstation?

    Wir sollten jedoch noch nicht damit beginnen, alle Server an Land abzubauen und neue in den Ozean zu werfen. «Wir sehen die Unterwasser-Datencenter nicht als Ersatz für die an Land, sondern als ein zusätzliches Angebot für unsere Kunden», sagt Cutler. Er fügt hinzu, dass das Team von Project «Natick» derzeit analysiert, was zu den begrenzten Ausfällen geführt hat, die auch bei «Northern Isles» aufgetreten sind. Ausserdem recyceln sie die Server und Komponenten und stellen gleichzeitig den früheren Zustand des Meeresbodens wieder her.

    Obwohl es noch nicht unmittelbar bevorsteht, einen Server auf dem Meeresgrund anzupeilen, während man durch Instagram scrollt, so ist es sicherlich schon eine Vision. «Unsere Nutzung des Internets und der damit verbundene Stromverbrauch ist eine indirekte Emission, die unsichtbare Kosten verursacht», sagt Johnston. «Auch bei Datencentern, die auf dem Meeresboden stehen, hat dies Folgen, die man diskutieren muss.»

  • Weitere Projekte rund um alternative Serverkühlung

    Auch andere Hersteller wie Dell, Hitachi und der amerikanische Hardware-Spezialist Egenera forschen an alternativen Kühlmethoden. HP entwickelt unter dem Namen «Modular Cooling System» wassergekühlte Serverschränke. Google hat ein Patent für ein «wasserbasiertes Rechenzentrum» angemeldet, das den Ozean als Quelle von Strom und Kühlung nutzt. Das Patent beinhaltet die Entwicklung eines containerbasierten Rechenzentrums und beschreibt die Module, die eine Computerplattformen mit Strom versorgen könnten. Die schwimmenden Datenzentren würden sich 3 bis 7 Meilen von der Küste entfernt in 50 bis 70 Meter tiefem Wasser befinden.

 

  

Beispielbild zum Megatrend Technologiewandel: Eine Roboterhand versucht, eine Gänsefeder zu fangen, die langsam nach unten schwebt. © GettyImages

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