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Geopolitik und Klimawandel
Publiziert am 12.08.2024 MESZ
Die wichtigsten Punkte für Anlegerinnen und Anleger
Wie sind Geopolitik und Klimawandel miteinander verbunden?
Der Klimawandel geht in erster Linie auf die Industrielle Revolution und die Energiewende der Vergangenheit zurück. Die damals verbrauchten Ressourcen haben die geopolitische Landschaft von heute geprägt. Nun stehen viele der Länder, welche diese fossilen Brennstoffe verbraucht haben, vor der Frage, wie sie den Klimawandel durch ihre Politik und Massnahmen eindämmen – oder verschlimmern. Dabei werden geopolitische Spannungen und die daraus resultierenden Sorgen um die Energiesicherheit diese Entscheidungen beeinflussen. Doch es bleibt die Frage: Werden die Länder zusammenkommen und gemeinsame Massnahmen zur Eindämmung des Klimawandels umsetzen? Oder wird das Thema in den geopolitischen Kämpfen untergehen, sodass die einzelnen Länder die Konsequenzen der globalen Erwärmung auf nationaler Ebene angehen müssen? In diesem Fall werden die Steuerzahler die Kosten von Naturkatastrophen und der Erderwärmung tragen müssen.
Der Klimawandel könnte die Beziehungen zwischen Ländern prägen.
Der Klimawandel verursacht durch Extremwetter und Naturkatastrophen unmittelbare Schäden und wirkt sich auf Ressourcen aus. Aber auch indirekt sind die Folgen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten zu spüren. Wenn es beispielsweise in bestimmten Regionen vermehrt zu Dürren kommt, führen diese zu einer Verknappung der Nahrungsmittelressourcen für die lokale Bevölkerung (direkte Auswirkung). Gleichzeitig verursacht dies aber auch einen Rückgang der Pegel in Wasserstrassen wie dem Panamakanal oder dem Rhein. Das wiederum erschwert den Transport von Gütern mit negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft (indirekte Auswirkung). Auf der anderen Seite kann der Klimawandel auch zu einer Beschleunigung von Transportwegen führen, sobald im Zuge der Erderwärmung vereiste Seewege schiffbar werden. Ein Beispiel hierfür ist die Nordostpassage. Der Klimawandel wird zudem wahrscheinlich zu einer verstärkten Migration führen. Obwohl sich der Grossteil der Migration innerhalb der nationalen Grenzen abspielen dürfte, wird vermutlich auch die grenzüberschreitende Migration zunehmen. Das wird unweigerlich den geopolitischen Druck sowie die Spannungen an nationalen Grenzen erhöhen.
Der Klimawandel als Vorwand für Industriepolitik?
Natürlich können Länder den Klimawandel zur Verteidigung ihrer Handelspolitik nutzen, die eigentlich darauf abzielt, die nationalen Branchen vor dem Wettbewerb aus dem Ausland zu schützen. Regierungen subventionieren häufig ihre nationalen Produzenten, während sie Handelsbarrieren errichten und Zölle erheben. So vervierfachte zum Beispiel die Regierung von US-Präsident Joe Biden jüngst die Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge. Könnte der Klimawandel somit als Vorwand für eine protektionistische Handelspolitik dienen? Ist das der Fall, wird dies vermutlich sowohl das Tempo der Energiewende bremsen als auch deren Umfang beschränken, denn: Jede Beschränkung des Zugangs zu günstigen Produkten wird tendenziell die Gesamtkosten der Energiewende in die Höhe treiben. Daten aus dem Vorjahr zeigen: Bei fast 30 Prozent ihrer industriepolitischen Massnahmen, die auf den Schutz der nationalen Industrie ausgerichtet sind, zitierten Regierungen eine «Eindämmung des Klimawandels». Vor allem die hochentwickelten Volkswirtschaften griffen auf dieses Argument zurück. Somit stellt sich unweigerlich die Frage, ob die Regierungen ehrliche Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels unternehmen, oder ob sie diesen lediglich als Vorwand nutzen, um ihre protektionistischen Ambitionen zu verschleiern.
«Wofür werden unsere Steuergelder künftig ausgegeben?»
Die in der Haushaltspolitik vorgesehenen Mittel zur Eindämmung des Klimawandels dürften in Zukunft infrage gestellt werden. Da die Geopolitik momentan stärker ins Zentrum rückt, dürften einige dieser Mittel nicht für das Erreichen von Klimazielen, sondern zur Stärkung der nationalen Sicherheit und Verteidigung eingesetzt werden. Europa ist in dieser Hinsicht ein Sonderfall, weil die EU diese beiden Ziele miteinander verknüpfen könnte. Wenn die Wirtschaft weniger stark auf fossile Brennstoffe angewiesen ist, könnte dies auch die geopolitische Anfälligkeit und die Energieabhängigkeit der EU mindern. Aber auch hier zeigen die jüngsten EU-Parlamentswahlen, dass sich die Aufmerksamkeit der Wähler abkehrt von «grünen Themen». Stattdessen rücken die Themen nationale Sicherheit und Zuwanderung in den Fokus.
Verschiebung des globalen Kräftegleichgewichts und das Aufkommen einer Multipolarität.
Jeglicher Übergang von einer auf fossilen Brennstoffen basierenden Wirtschaft auf eine elektrifizierte Infrastruktur wird auch eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse bewirken. Die Exportländer der fossilen Brennstoffe werden an Einfluss verlieren und Länder, in denen die für den ökologischen Wandel nötigen Metalle und Mineralien gefördert und raffiniert werden, werden an Bedeutung hinzugewinnen. Der Bedarf an fossilen Brennstoffen wird während dieses Übergangs jedoch nicht über Nacht verschwinden, zumal die Welt derzeit immer noch mehr als 80 Prozent ihres Energiebedarfs aus fossilen Brennstoffen deckt. Neben dem Kampf zwischen den USA und China um die Vorherrschaft in der Welt wird vermutlich auch eine weitere Zunahme der globalen Multipolarität zu beobachten sein. Gleichzeitig dürften auch die Ressourcen knapper werden. Länder, die reich an Ressourcen sind (besonders diejenigen mit den Ressourcen, die für den ökologischen Wandel benötigt werden), könnten ihre Position zwischen den Blöcken NATO-Westen und China-Russland-Osten ausspielen. Im Zuge dieser Entwicklung könnten auch die Stellvertreterkriege zurückkehren – mit dem Ziel, Länder mit schwachen Regierungen und wichtigen Ressourcen weiter zu destabilisieren.
Worauf sollten Anlegerinnen und Anleger achten?
Im aktuellen Umfeld sollten Investoren die Änderungen der politischen Landschaft aufmerksam verfolgen. Dazu zählen beispielsweise die jüngsten Wahlen in Indien, in der EU, und in den USA, sowie wie sich diese auf die Dynamik des ökologischen Wandels im Vergleich zu anderen politischen Prioritäten wie nationale Sicherheit und Grenzen oder die Industriepolitik auswirken. Unseres Erachtens dürften Anlegerinnen und Anleger In dieser Übergangsperiode sowohl den anhaltenden Bedarf an fossilen Brennstoffen während der Energiewende als auch die langfristigen Vorteile von Investitionen in Sektoren, die über Jahrzehnte profitieren werden, im Auge behalten. Geopolitische Entwicklungen werden diesen Übergang kurz-, aber auch langfristig prägen. Für Anlegerinnen und Anleger, die «zukunftssichere» Lösungen für ihre Portfolios suchen, dürfte es derzeit kaum eine Alternative geben zu einem starken Fokus auf Investments, die gut durch diese Übergangsperiode kommen.
Publiziert am 12.08.2024 MESZ
ÜBER DIE AUTOREN
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Veronika Stolbova
Senior ESG Analyst