Illustration von Benjamin Freedman: Boom Collage
Art Vontobel

Ausstellung

«Positive Illusions» von Benjamin Freedman

«Positive Illusions» des jungen, in Toronto lebenden Künstlers Benjamin Freedman (*1990 in Kanada) zeigt eine Reihe von CGI-Arbeiten und ein Video, in denen persönliche Erinnerungen mit kollektiver Nostalgie verschmelzen. Die (sur)realen, ideellen Szenen entstammen Kindheitserinnerungen an eine Reise in ein Sommerferienhaus und evozieren das Amerika der späten 1990er Jahre; eine Welt, die zugleich vertraut und seltsam künstlich erscheint. Durch die verschwommene Gedächtnislinse betrachtet, hinterfragen diese simulierten Szenen die Fehlbarkeit der Erinnerung: Was ist real und was imaginär? Und fordern uns auf darüber nachzudenken, woran wir uns klar erinnern und was als verblassende Annahme existiert.

Diese Frage nach Erinnerung vs. Künstlichkeit steht in engem Zusammenhang mit der sich verändernden Rolle – und der charakteristischen Wahrhaftigkeit – der Fotografie im Informationszeitalter. Mit der rasanten Entwicklung digitaler Technologien verändert sich auch die Art und Weise, wie wir die Realität konstruieren und wahrnehmen. So dokumentiert Freedman die Welt nicht einfach nur, sondern erschafft sie mit «Positive Illusions» neu, indem er aus computergenerierten Bildern (CGI) und digitalen Bildelementen hyperreale Szenerien kreiert. Diese 3D-Umgebungen werden wie Bühnenbilder aufgebaut, um dann von einer virtuellen Kamera „fotografiert“ und wieder in die 2D-Dimension übertragen zu werden. Das Ergebnis sind Bilder, deren Ästhetik an die traditionelle Fotografie erinnert, die aber unverkennbar von neuen technologischen Verfahren geprägt sind und eine Hyperrealität einfangen, die vertraut und beunruhigend perfekt zugleich wirkt.

Auf diese Weise regt «Positive Illusions» eine breitere Diskussion über den Wandel der Fotografie an – dem medialen Schwerpunkt der Art Vontobel Sammlung. Fotografie beschränkt sich nicht mehr auf die Abbildung des Realen, sondern befindet sich heute an der Schnittstelle zwischen Kreation und Simulation, wo digitale Tools die Grenzen zwischen dem Physischen und dem Virtuellen zunehmend verwischen. Als Sinnbild dafür, wie eine neue Generation zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler neu definiert, was es bedeutet, ein Bild zu „machen“ oder zu „erschaffen“, fordern Freedmans subtil unheimliche Szenen die klassischen Grenzen der Fotografie heraus, indem sie die Möglichkeiten des Mediums auf neue und unerwartete Weise ausreizen.

Obwohl «Positive Illusions» sehr persönlich ist, reflektiert Freedmans Werk auch die zunehmend digitale Natur der menschlichen Erfahrung wider: Das ausgestellte Video mit dem Titel «Jake», dessen Narrativ im Dialog mit ChatGPT entstand, wurde im Videospiel «What We Do in the Rapture» geschaffen. Während die halbfotorealistischen Szenen Kindheitserinnerungen an einen Ort, eine Familie und die erste Liebe wachrufen, beschäftigt sich «Jake» auf einer Metaebene mit der Idee dass die Grenzen zwischen physischen und digitalen Räumen zunehmend verschwimmen: Angesichts der Tatsache, dass sich Menschen zunehmend in virtuellen Welten aufhalten – sie bewohnen Immobilien im Metaverse und machen avatargesteuerte Erfahrungen – befasst sich «Jake» gleichzeitig mit der Frage, wie wir in diesen alternativen, digitalen Welten „leben“ könnten? Und eine grundlegende gesellschaftliche Angst, die mit unserer wachsenden Abhängigkeit von künstlicher Intelligenz verbunden ist.

Auf den ersten Blick erwecken Freedmans Arbeiten das kindliche Bild eines perfekten Sommers – warmer Sonnenschein, lebendige Natur, die sanften Wellen des Pools und die perfekte Seifenblase. Doch hinter dieser idealisierten Vorstellung verbirgt sich ein Spannungsfeld zwischen Realität und Künstlichkeit. «Positive Illusions» reflektiert die sich verändernde Natur von Realität, Erinnerung und Fotografie im digitalen Zeitalter und stellt die Frage: Was ist heute Realität? Und ob Positive Illusionen uns helfen werden, mit zukünftigen Realitäten umzugehen.

Illustration von Benjamin Freedman: Bad Apple

Informationen zur Ausstellung

StandortVontobel, Gotthardstrasse 43, 8002 Zürich
ÖffnungszeitenMontag bis Freitag, 9 Uhr bis 18 Uhr

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