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Erbrechtsrevision: neue Quoten und Pflichtteile im Erbrecht
Aktualisiert am 28.05.2024 MESZ
Publiziert am 24.08.2022 MESZ
Mehr Flexibilität und Gestaltungsraum für Erblasser
Die Schweiz hat mit der Erbrechtsrevision ein neues und modernes Erbrecht erhalten, das den Gestaltungsspielraum für den Erblasser erheblich erhöht. Bei der Planung Ihres Nachlasses können Sie somit flexibler entscheiden, was und wie viel Sie Ihren Liebsten hinterlassen möchten. Das neue Erbrecht trat per 1. Januar 2023 in Kraft. Die wichtigsten Neuerungen haben wir hier für Sie zusammengefasst.
Reduktion der Pflichtteile der Nachkommen
Vor 2023 hat das Erbrecht bestimmt, dass die Nachkommen zwingend einen Pflichtteil von drei Vierteln des gesetzlichen Erbanspruches erhalten. Das neue Erbrecht reduziert den Pflichtteil der Nachkommen auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Wegfall der Pflichtteile der Eltern
Früher galten Eltern als pflichtteilsgeschützte Erben, sofern der Erblasser kinderlos ist. Mit dem neuen Erbrecht entfällt dieser Pflichtteil vollständig.
Erhöhung der freien Quote bei Nutzniessung
Ehegatten, welche gemeinsame Kinder haben,können sich mit der sogenannten Nutzniessungslösung begünstigen. Dem überlebenden Ehegatten kann anstelle eines Viertels des Nachlasses seit dem 1. Januar 2023 die Hälfte zu Eigentum übertragen werden. Am Rest (früher drei Viertel, aktuell die Hälfte) kann ihm zusätzlich die Nutzniessung eingeräumt werden. Mit dieser höheren Quote zu Eigentum wird die Ehegattenbegünstigung weiter ausgebaut.
Was ist ein Pflichtteil?
Das Erbrecht bestimmt, wer Erbin oder Erbe ist und wie hoch deren Anteile sind, die sogenannten Erbteile. Der Kreis der Erben und die Erbteile variieren je nach Konstellation. Haben Sie keine Nachlassregelung getroffen, kommen die gesetzlichen Bestimmungen zum Zug.
In einem Testament können Sie bestimmen, wer wie viel erhalten soll und so von den gesetzlich vorgesehenen Erbteilen abweichen. Das Gesetz schränkt aber Ihren Gestaltungsspielraum durch sogenannte Pflichtteile ein. So wird gesetzlich festgelegt, dass gewisse Erben zwingend einen Anspruch auf einen bestimmten Teil des gesetzlichen Erbteils haben. Diese Pflichtteile sind grundsätzlich bei der Nachlassregelung zu berücksichtigen; über den Rest Ihres Nachlasses können Sie frei verfügen. Dies ist die sogenannten freie Quote.
Kein Ehegattenpflichtteil bei Scheidungsverfahren
Befinden sich die Ehegatten in Scheidung und stirbt einer der Ehegatten während des Scheidungsverfahrens, so hatte früher der überlebende Ehegatte noch Anspruch auf seinen Pflichtteil. Dieser Anspruch erlosch vor der Erbrechtsrevision erst, wenn die Scheidung rechtskräftig wurde.
Neu entfällt unter bestimmten Voraussetzungen auch der Pflichtteilsanspruch für Ehegatten bereits mit Einleitung des Scheidungsverfahrens. Der «Noch-Ehegatte» muss jedoch mittels Testaments oder Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen werden.
Schenkungsverbot nach Abschluss eines Erbvertrages
Früher galt der Grundsatz der Schenkungsfreiheit. Das Recht sah somit vor, dass nach Abschluss eines Erbvertrages die Parteien zu Lebzeiten grundsätzlich frei über ihr Vermögen verfügen können. Das hiess Schenkungen, die nach Abschluss eines Erbvertrages an Dritte ausgerichtet wurden, waren grundsätzlich zulässig. Nicht zulässig und somit anfechtbar waren diese nur, wenn ihnen eine offensichtliche Schädigungsabsicht zugrunde lag.
Mit der Erbrechtsrevison fand ein Paradigmenwechsel vom Grundsatz der Schenkungsfreiheit zum Grundsatz des Schenkungsverbots statt. Das heisst, dass sämtliche Schenkungen (mit Ausnahme von Gelegenheitsgeschenken) nach Abschluss eines Erbvertrages grundsätzlich anfechtbar sind, ausser der Erbvertrag erlaubt solche Schenkungen explizit.
Übergangsbestimmungen
Entscheidend für die Anwendbarkeit des neuen Erbrechts ist der Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Dies gilt unabhängig davon, ob die Nachlassregelung (Testament oder Erbvertrag) vor oder nach dem 1. Januar 2023 errichtet worden ist.
Weiterführende Links zur aktuellen Erbrechtsrevision
Häufig gestellte Fragen zur Erbrechtsrevision (FAQ)
1. Ich habe noch keine Nachlassregelung (Testament und/oder Erbvertrag) erstellt:
Die Erbrechtsrevision ist ein guter Anlass, um Ihre Situation zu überdenken und eine Nachlassregelung zu treffen, die Ihren Wünschen entspricht.
2. Ich habe bereits eine Nachlassregelung (Testament und/oder Erbvertrag) vor 2023 erstellt
Prüfen Sie, ob Ihre getroffene Nachlassregelung mit den Änderungen der Erbrechtsrevision kompatibel ist: Geht aus Ihrem Testament klar hervor, ob die altrechtlichen oder die neurechtlichen Pflichtteile gelten? Regelt Ihr Erbvertrag die Schenkungsfreiheit Ihres Vermögens oder gilt nun das Schenkungsverbot?
Mit der neuen Erbrechtsrevision haben Sie unter Umständen mehr Flexibilität. Nehmen Sie dies zum Anlass zu prüfen, ob Ihre bestehende Nachlassregelung Ihre Wünsche nach wie vor abbildet.
Die Ehegatten Martina und Serge haben zwei gemeinsame Kinder. Mit einem Testament hat Serge seine Kinder auf den Pflichtteil gesetzt und seiner Ehefrau im Sinne der Meistbegünstigung die frei verfügbare Quote zugewiesen. Serge verunfallt und stirbt. Sein Nachlass beläuft sich auf CHF 1 000 000.
Nach früherem Erbrecht (vor der Erbrechtsrevision) erben:
die Kinder CHF 375 000 (Pflichtteil von drei Achteln)
die Ehefrau CHF 625 000
Nach aktuellem Erbrecht (nach der Erbrechtsrevision) erben:
die Kinder CHF 250 000 (Pflichtteil von einem Viertel)
die Ehefrau CHF 750 000
Übersicht: Reduzierte Pflichtteile an die Kinder
Für verheiratete Paare
aktuell | ¼ Ehegatte | ¼ Kinder | ½ freie Quote | ||||||
früher | ¼ spouse | ⅜ child | ⅜ free quota |
Für nicht verheiratete Paare
aktuell | ½ Kinder | ½ freie Quote | |||||||
früher | ¾ Kinder | ¼ freie Quote |
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Frida lebt mit ihrem Partner Alain zusammen. Sie haben keine Nachkommen. Die Eltern von Frida leben beide noch. Sie will ihren Partner Alain so umfassend wie möglich begünstigen. Im Testament verfügt sie, dass ihre Eltern auf den Pflichtteil gesetzt werden und Alain den Rest erhält. Plötzlich stirbt Frida an einem Herzinfarkt. Ihr Nachlass beläuft sich auf CHF 1 000 000.
Nach früherem Erbrecht (vor der Erbrechtsrevision) erben:
die Eltern CHF 500 000 (Pflichtteil von der Hälfte)
Partner Alain CHF 500 000
Nach aktuellem Erbrecht (vor der Erbrechtsrevision) gilt:
die Eltern CHF 0 (Pflichtteil fällt weg)
Partner Alain CHF 1 000 000
Übersicht: Wegfall der Pflichtteile an die Eltern
Für nicht verheiratete Paare (Beispiel oben)
aktuell | 1/1 freie Quote | ||||||||
früher | ½ Eltern | ½ freie Quote |
Für verheiratete Paare
aktuell | ⅜ Ehegatte | ⅝ freie Quote | |||||||
früher | ⅜ Ehegatte | ⅛ Eltern | ½ freie Quote |
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Die Familie Musterberg vereinbart mit Erbvertrag, dass der überlebende Ehegatte Alleinerbe sein wird und nach dessen Versterben das restliche Vermögen an die drei Kinder geht. Doch nachdem Vater Peter verstorben ist, verschenkt Mutter Elsa CHF 300 000 an die Stiftung «Pfoten für alle».
Nach früherem Erbrecht (vor der Erbrechtsrevision) galt:
Schenkungsfreiheit. Die Schenkung ist zulässig (vorbehalten Schädigungsabsicht der Mutter) und die Kinder können die Schenkung nicht erfolgreich anfechten.
Nach aktuellemErbrecht gilt:
Schenkungsverbot. Die Schenkung ist nicht zulässig und die Kinder können die Schenkung gegenüber «Pfoten für alle» anfechten, ausser der Erbvertrag erlaubt solche Schenkungen explizit.
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Unser Fazit
Die Erbrechtsrevision eröffnet die Möglichkeiten, den eigenen Nachlass flexibler und noch besser den eigenen Wünschen und Vorstellungen entsprechend zu gestalten. Insbesondere können Ehegatten, Konkubinatspartner, Stiefkinder in Patchworkfamilien oder andere Nahestehende neu mit einem grösseren Anteil am Nachlass begünstigt werden.
Gerne hilft Ihnen unser erfahrenes Team von Nachlassspezialistinnen und -spezialisten bei Ihrer individuellen Nachlassregelung oder prüft Ihre bestehende Lösung.
Erbstreitigkeiten vorbeugen
Vorlage googeln – Testament schreiben – fertig: Der Weg zum selbst verfassten Testament war noch nie so einfach.
Unsere Erfahrung zeigt leider, dass bereits ein vermeintlich gutgemeintes Wort unliebsame Folgen haben kann. Unsere erfahrenen Nachlassspezialisten kennen diese heiklen Punkte und helfen Ihnen, das Streitpotenzial unter Ihren Erben zu minimieren: mit einer klar definierten und juristisch korrekten Nachlassregelung, bei der wir auf Wunsch auch als Willensvollstrecker amtieren können.
Kontaktieren Sie uns unverbindlich, um die Situation rund um Ihren Nachlass mit unseren Experten zu analysieren.
Aktualisiert am 28.05.2024 MESZ
Publiziert am 24.08.2022 MESZ
ÜBER DIE AUTOREN
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Bettina Rösch
Head Wealth Services CH